Salonkonzerte :: Erinnerungskultur
Die musikalische Salonkultur der vergangenen Jahrhunderte übt noch immer eine Faszination auf uns aus: als Ort der Begegnung, Raum für Klangschönheit und neue Ideen.
Dass der Salon in Zeiten der allgegenwärtigen Digitalisierung wieder besonders en vogue ist und eine kleine Renaissance erlebt, verwundert nicht: Hier wird live musiziert, das ist nicht youtube.
Dafür steht man abends noch mal vom Sofa auf!
Besonders groß ist die Neugierde auf jene Salons, die es in unserem unmittelbaren Lebensumfeld gab. Daran zu erinnern, fast vergessene Spuren zu verfolgen und eine solche beinahe untergegangene
Kultur so wieder aufleben zu lassen, hat sich Sabine Goetz vorgenommen.
Das Leopold Ensemble wurde von ihr gemeinsam mit ihren Kammermusikpartnern gegründet mit dem Wunsch, die Tradition von Liedgesang und Kammermusik vor einem kleineren Publikum und in Räumen mit besonderer Atmosphäre zu pflegen. Je nach Repertoire variiert die Besetzung.
Namensgeber ist Leopold Geissmar: Mäzen, Rechtsanwalt, Geiger, Instrumentensammler und Salonlöwe, dessen Salon in der Mannheimer Oststadt ein Treffpunkt für Musiker war, und der Brahms besonders liebte!
© Ingo Rückauer
Besonderer Dank für die Fotos des Leopold-Ensembles gilt unserem Fotografen Ingo Rückauer.
Eine Hörprobe des Leopold Ensemble in der Besetzung Sabine Goetz / Sopran und Alexander Fleischer / Klavier finden Sie hier www.youtube.com/Sabine Goetz Sopran
© Ingo Rückauer
Von links: Stefanie Kessler, Flöte; Alexander Fleischer, Klavier; Sabine Goetz, Sopran; Martin Vogel, Klarinette
Leopold Geissmar: Rechtsanwalt, Kammermusiker, Konzertveranstalter und glücklicher Stradivari-Besitzer
Ein echter Mannheimer Salon
befand sich im Haus der Familie Geissmar in der Mollstrasse: dort waren vor dem Ersten Weltkrieg häufig namhafte Musiker zu Besuch und genossen die gastfreundliche Atmosphäre. Sie kamen in den Genuss, die wertvollen Streichinstrumente aus der Sammlung des Hausherrn zu probieren, pflegten die hohe Kunst des Quartettspiels oder brachten sogar neue Kompositionen zur häuslichen Uraufführung. Gelegentlich fand auch die Feier nach einer Premiere des Nationaltheaters dort statt, Wilhelm Furtwängler pflegte über Jahrzehnte engen Kontakt zur Familie; Joseph Joachim bewunderte die kostbaren Streichinstrumente, die der Hausherr sammelte, besonders die 1900 erworbene Vieuxtemps-Stradivari.
Leopold Geissmar,
stadtbekannt als renommierter Rechtwanwalt, Kammermusiker und Mäzen, seine Frau Anna und die Tochter Berta waren aus dem gesellschaftlichen und kulturellen Leben nicht wegzudenken. Vom Hausherrn bekam das Leopold-Ensemble seinen Namen. Wer könnte ein besserer Namensgeber sein - für ein musikalisches Ensemble?
Leopolds jüngere Schwester Johanna Geissmar wurde die Namensgeberin für das ehemalige „PGG“, ein Gymnasium im Mannheimer Norden. Martin Geipel, Musiker, Historiker und Lehrer am heutigen Johanna-Geissmar-Gymnasium, war auf die beeindruckende Familiengeschichte aufmerksam geworden. Gemeinsam entstand die Idee, die Geschichte der Familie und ihrer Musik neu zu erzählen und die Spuren zu verfolgen, die bis in unsere Zeit hineinreichen:
Die Idee zu einem musikalisch-historischen Forschungsprojekt war geboren.
In Vorbereitung auf ein Gesprächskonzert und den Recherchen über die Lebenswege jüdischer Komponisten aus der Region ergab sich ein intensiver Kontakt zu dem in Mannheim geborenen Komponisten
Samuel Adler (*1928),
der als 10-jähriger mit seinem Vater, dem Oberkantor der Mannheimer Synagoge, und der Familie emigrieren konnte.
In Anerkennung ihrer Arbeit komponierte Samuel Adler 2016 für Sabine Goetz und ihr Ensemble den Zyklus
„Four Songs of Innocent Love“.
Auf der Suche nach Texten für die neu zu komponierenden Lieder fiel die Wahl auf Gedichte von Selma Meerbaum-Eisinger. Die jüdische Dichterin verstarb im Alter von 18 Jahren im Ghetto von Czernowitz und hinterliess ein mit Bleistift handgeschriebenes, ihrer großen Liebe gewidmetes Album. Es wurde während des Krieges einer Freundin Selma Meerbaum-Eisingers übergeben, durch die es nach Israel gelangte. Dort wurden die Gedichte erstmals als Privatdruck veröffentlicht und sind seitdem weltweit bekannt geworden.
Nach dem ersten Lesen der Texte schrieb Samuel Adler an Sabine Goetz:
„The history of this young woman is an entire story in itself.
The rescuing of the poems is a miracle.“
© Gregor Geipel
2016 folgte das Leopold-Ensemble einer Einladung der Anni-Eissler-Lehmann-Stiftung Mainz und erinnerte zum ersten Mal in der Form eines Gesprächskonzerts an die Geissmars, an ihre Zeit, ihre Musik und an Leopolds Stradivari.
In Anlehnung an Leopolds Vorliebe für Streichinstrumente taten sich Sabine Goetz und Alexander Fleischer mit der aus Lettland stammenden Geigerin Jeanette Pitkevica zusammen
In diesem Rahmen wurden die "Songs of innocent love" zum ersten Mal öffentlich aufgeführt.
Zum 90. Geburtstag des Komponisten waren die Lieder zum ersten Mal in Mannheim zu hören im Juni 2018.
Außerdem folgte Sabine Goetz einer Einladung ins Konzerthaus Berlin in Zusammenarbeit mit dem Verein „musica reanimata“.
© Ingo Rückauer
Mit der Flötistin Stefanie Kessler pflegt Sabine Goetz seit Jahren eine intensive kammermusikalische Freundschaft, die beiden entdecken immer wieder neues gemeinsames Repertoire. Mit den beiden Damen und Alexander Fleischer am Klavier hat sich ein Trio zusammengefunden, dass im „Salon Français“ seine Zuhörer in die Stadt der Liebe und ihre Musik entführt.
2018 erhielt das Ensemble für sein Konzert in der Ehemaligen Synagoge Hirschberg begeisterte Kritiken:
"Charmant von Sabine Goetz moderierte Zeitreise in eine Welt der Romantik und Melancholie... Die Sopranistin singt mit bezaubernd wohltemperierter Stimme, umschmeichelt von Alexander Fleischer, einem der wohl feinsinnigsten Begleiter am Klavier. Zu diesem harmonischen Duo gesellt sich Stefanie Kessler mit ihrer reizvollen Darbietung luftig schillernder Flötenklänge." (RNZ)
"...die klassische Hirtenflöte und dazu ein Sopransolo: gesungen von Sabine Goetz, deren lyrische Stimme ganz wunderbar mit der Musik harmonierte. Die Instrumentalbegleitung war zum Dahinschmelzen...
Das Salonstück (von Cecile Chaminade zum Schluss) wäre ohne weiteres für einen Zuckerschock gut gewesen, doch hier griff das Leopold-Ensemble rettend ein, machte eine schwungvolle Opernarie aus der Vorlage und kostete die Dramatik voll aus - bis hin zum letzten, schmachtenden Ton. Dafür gab es viel Applaus und Rufe nach einer Zugabe, die auch erhört wurden." (Weinheimer Nachrichten)